Die Meldungen über Hoffnungen auf sinkenden Dispozinsen infolge einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Banken haben die Diskussionen um den oft viel zu teuren Überziehungskredit neu entfacht. Doch bei manchen Verbrauchern stellen sich in Verbindung mit den schon geltenden Regeln bei der Preisfestsetzung für den beliebten „Kleinkredit“ auch einige Fragen, die wir nicht unbeantwortet lassen wollen.
Über die zum Ende vergangener Woche zwischen den Bankenfachverbänden und dem Ministerium für Verbraucherschutz getroffene Vereinbarung hatten wir in unserem Artikel: Thema der Woche: die Dispozinsen ausführlich berichtet.
Deshalb an dieser Stelle nur eine knappe Zusammenfassung: Die Dachverbände aller Kreditinstitute wollen ihren Mitgliedern nahe legen, zukünftig die für einen Dispokredit zu zahlenden Zinssätze auf ihren Websites zu veröffentlichen. Unsere Verbraucherschutzministerin erhofft sich durch die damit entstehende völlige Transparenz mehr Wettbewerb und letztendlich sinkende Zinsen. Allerdings lassen die beispielsweise bei Handelsblatt Online nachzulesenden Kommentare mancher Verbraucher erkennen, dass diese Hoffnung nicht von allen geteilt wird und dass teilweise noch Aufklärungsbedarf herrscht. Dem Ersteren müssen wir uns leider anschließen, dem Letzteren können wir hoffentlich ein wenig abhelfen.
Ab wann darf von Wucherzinsen gesprochen werden?
Ein sittenwidriges Rechtsgeschäft, im Kreditbereich im Fall deutlich zu hoher Zinsen als „Wucher“ bezeichnet, ist laut § 138 BGB („Wucherparagraf“) nichtig. Allerdings wird im Gesetz nur von einem auffälligen Missverhältnis zwischen der erbrachten Leistung und dem unter Ausnutzung einer Zwangslage durchgesetzten Preis gesprochen. Eine Zinsobergrenze oder eine Angabe zu einer nicht erlaubten Differenz zwischen dem Markpreis und dem individuellen Zinssatz ist im BGB nicht zu finden.
Doch der BGH hat in mehreren Anläufen für Klarheit gesorgt und die Rechtslage zuletzt in 1990 präzisiert (XI ZR3 252/89 vom 13.3.1990). Demnach liegt immer dann Wucher vor, wenn der zu zahlenden Zinssatz doppelt so hoch ist wie der jeweilige Marktpreis. Zudem wurde die der maximal erlaubte Aufschlag auf den Marktzinssatz auf 12 %-Punkte begrenzt. Daraus folgt auf Basis des von der FMH-Finanzberatung aktuell ermittelten durchschnittlichen Dispozinssatzes von knapp 10,50 %: Nur ein Dispozinssatz von 21,00 % und mehr darf momentan als Wucherzins bezeichnet werden.
Müssen alle Banken ihre Dispozinsen an einen Referenzsatz binden?
Klare Antwort, auch wenn im Netz auf unzähligen Seiten anderes zu lesen ist: nein. Zweiflern empfehlen wir die Lektüre des zum 11.6.2010 in Kraft getretenen § 247 BGBEG, dort § 6 Abs. 3 und §§ 16 und 17. An diesen Stellen wird zwar der Referenzzinssatz erwähnt, aber nur im Zusammenhang damit, dass er genannt werden muss, wenn ein veränderlicher Sollzinssatz an einen solchen Vergleichswert gekoppelt wird. Neben dem Leitzinssatz kann im Übrigen auch der EURIBOR oder ein anderer Zinssatz als Vergleichswert gewählt werden. Viele Institute wie die Targobank haben sich für den Drei-Monats-EURIBOR entschieden, andere wie die ING-DiBa oder die comdirect haben den Leitzinssatz gewählt.
Verpflichtend kann der Referenzzinssatz in Verbindung mit der Rechtswirksamkeit von Zinsänderungen sein. Wurde der Dispo nicht an einen Referenzzinssatz gebunden, werden Zinsänderungen erst nach einer diesbezüglichen schriftlichen Mitteilung wirksam.
Warum sind die Dispozinsen trotz Niedrigzinsphase oft so hoch?
Diese Frage könnten wir ein wenig flapsig damit beantworten, dass der Gesetzgeber seiner Pflicht zum Schutz der Verbraucher bisher nur unzulänglich nachgekommen ist. Und diese Auffassung lässt sich selbstverständlich begründen. Ein Blick auf die Zins-Charts und die Zinsentwicklung der vergangenen 10 Jahre offenbart zwei kaum zumutbare Fakten:
Zum einen lag der durchschnittliche Dispozinssatz während dieses Zeitrahmens immer deutlich über dem Leitzinssatz, im für den Verbraucher günstigsten Fall um knapp 8,25 %-Punkte. Zum anderen kam die Empfehlung zur Bindung an einen Referenzzinssatz im Sommer 2010 zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn seinerzeit hatten die meisten Institute die zwischen Mitte 2008 und Mitte 2009 vorgenommene Ansenkung des EZB-Leitzinssatzes von 4,25 % auf nur noch 1,00 % noch kaum nachvollzogen; der Spread zwischen Durchschnittsdisposatz und Leitzinssatz lag zu diesem Termin bei etwa 10,25 %-Punkten. Und diese Differenz hat sich durch die Empfehlung zur Bindung an einen Referenzzinssatz, der viele Institute nachgekommen sind, bis heute gehalten. Beim EURIBOR ist die Entwicklung im Übrigen ähnlich verlaufen wie beim Leitzinssatz.
Fazit: Allein die Bindung an einen Referenzzinssatz konnte sich nicht zum Wohle der Verbraucher auswirken; notwendig gewesen wäre gleichzeitig die gesetzliche Festschreibung eines maximal möglichen Zinsunterschiedes zwischen Dispo- und Referenzzinssatz. Doch eine solche Deckelung ist momentan seitens der Regierung nicht gewollt. Allerdings wollen wir auch nicht die komplette Verantwortung für die ungleichen Verhältnisse bei den Politikern abladen; kein Anbieter wird daran gehindert, den Disposatz auch unabhängig von einem eventuell gewählten Referenzzinssatz zu senken.
Warum haben auch einige der Institute trotz Bindung an den Leitzinssatz die letzte EZB-Zinssenkung noch nicht weitergegeben?
Auf diese Frage gibt es eine einfache Antwort: weil sie zuvor eine Erhöhung des Referenzzinssatzes nicht weitergegeben haben. In einem solchen Fall entsteht eine nicht ausgenutzte relevante Erhöhung, die mit zukünftigen Senkungen des Referenzzinssatzes verrechnet werden kann. Das ist auch dann möglich, wenn der Anbieter zuvor den Zinssatz auf freiwilliger Basis reduziert hatte, wie das nicht nur von der ING-DiBa, sondern auch von der 1822direkt und einigen anderen Instituten gemacht worden war.
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